Dirk Laucke: alter ford escort dunkelblau

Konzeptionelle Überlegungen

alter ford escort dunkelblau wurde als szenische Lesung realisiert. Das inszenatorische Interesse bestand darin, alle vier Figuren in ihrem Aufbegehren und Aufbrechen-Wollen zu zeigen − trotz aller Beschädigungen, Verletzungen und Beschränkungen, die sie im Laufe ihres Lebens erfahren haben. So unterschiedlich dabei die Träume, Impulse und Möglichkeiten der vier Figuren sind, so sehr gleichen sie sich in ihrer kreativen Energie, die sie haben und die es zu nutzen gilt. Genau darin liegt der gesellschaftliche Auftrag, den der Text ins Publikum tragen kann. In Auswertung der Podiumsdiskussion im Anschluss an die Premiere lässt sich festhalten, dass gerade in gering qualifizierten Arbeitsbereichen wie dem im Text dargestellten Getränkehandel ein Nachdenken über die Notwendigkeit des Umgestaltens von Arbeitsprozessen nötig ist − hin zu Bedingungen, die den Arbeitnehmer mehr in die Gestaltung der Arbeitsorganisation integrieren, um ihn über die Teilhabe und Wertschätzung zu fordern und zu fördern. Damit einher aber muss eine Debatte gehen, die mehr auf Eigenverantwortlichkeit zielt statt auf das bequeme Einrichten in einer Opferrolle, die den ungerechten und unabänderlichen Verhältnissen die Schuld zuschreibt. Im Sinne dieses Denkansatzes gestalteten wir bereits den Schluss der szenischen Lesung: Schorse und Paul − beide „erwachsen“ geworden durch die gemachten Erfahrungen − nehmen ihre Arbeit an statt sich dagegen wie zu Beginn des Stückes zu wehren. Dieses Sich-Öffnen ihrer Realität gegenüber ist − bei aller Verstörung, die das Stück hervorruft − ein optimistischer Schritt: Zwei fangen an, ihr Leben eigenhändig zu gestalten statt unrealisierbaren Träumen hinterher zu rennen.

Getränkehandel und Legoland:
Für die drei männlichen Protagonisten Schorse, Boxer und Paul gibt es zwei Orte, die wie gegensätzliche Fixsterne das Koordinatensystem bestimmen, in dem sich die drei bewegen: der Getränkehandel von Pauls Vater, in dem alle drei arbeiten, und Legoland. Die Entscheidung, in der szenischen Lesung mit 280 knallbunten Bierkästen zu arbeiten, brachte beide Pole zusammen: Die Bierkästen sind Bierkästen und − dreht man sie um − riesengroße Legosteine zugleich. Gleiches galt für die Kostüme. Die grellbunten und einfachen Arbeitsbekleidungen ähneln in verblüffender Weise der Kleidung von Legofiguren. Über dieses Zusammenschalten von Arbeits- und Traumwelt ließen sich − egal, wo die Figuren sich gerade befinden − beide Welten permanent und gleichberechtigt anwesend halten. Damit wurde sinnlich erfahrbar gemacht, wie sehr Arbeits- und Lebensrealitäten durch warenästhetische Wunschproduktionen überformt sind. Der oben gezeichnete Bildungsweg des Stückes entsteht in Auseinandersetzung mit dieser Problemstellung der ökonomischen Bedürfnissuggestion.